Heft 5: Ethik in der Diskussion: Verzicht oder Interesse

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3. Jahrgang, 1983, 148 Seiten, broschiert

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Ethik hat derzeit Konjunktur. Seitdem die Zukunftschancen unserer Gesellschaft immer düsterer werden, die Zuwachsraten der Wirtschaft in ein umgekehrtes Verhältnis zu den Arbeitslosenzahlen geraten sind, und die Apokalypse eines möglichen atomaren Holocausts uns den Blick auf die Zukunft verstellt, nehmen die Bücher und Traktate, die Appelle und Postulate zu, die uns darüber zu belehren vorgeben, wie dennoch das Leben mit „“Sinn““ zu erfüllen sei. Es scheint, als lebe die Moral erst richtig auf, wenn das politisch-ökonomische System in Agonie verfällt. Der geistig-moralische Wert als Kompensation entgangener materieller Werte?

In dieser Situation der Ausweglosigkeit unserer Gesellschaftsordnung (vgl. Heft 2/82: „„Die Krise in Gesellschaft und Wissenschaft““) ist die Diskussion in der Öffentlichkeit darüber entstanden, ob die Antwort auf die Krise im Verzicht oder in der Wahrnehmung der eigenen Interessen liegt. Sollen wir Abschied nehmen vom Gedanken der Gestaltbarkeit der Gegenwart und Zukunft, sollen wir uns wieder auf grundlegende, allgemeingültige Werte und Tugenden rückbesinnen, wie konservative Ethiker meinen? Oder müssen wir uns nicht verstärkt unserer historisch-konkreten Interessenlage bewußt werden und unser subjektives Handeln nach diesen objektiven Interessen ausrichten, wie dies von fortschrittlichen Theoretikern formuliert wird?

Im vorliegenden Band geht es um das Zentralproblem der praktischen Philosophie, um die rationale Begründbarkeit des subjektiven Handelns:

Am Verhältnis von Moralität und Sittlichkeit weist Konrad Lotter darauf hin, daß Hegels und Marx’ Kritik an Kants ethischem Formalismus der „„praktischen Vernunft““ noch heute die Grundfrage der Ethik trifft. Sollen die Handlungsanleitungen nicht abstrakt, inhaltsleer und damit beliebig bleiben, müssen sie in eine materiale Theorie der Gesellschaft und der Geschichte eingebettet werden, die der Praxis allererst einen vernünftigen, einen „“sittlichen““ Inhalt zu neben vermag.

Der Beitrag von Joachim Kahl ist ein eindringliches Plädoyer für die Besinnung auf das religions- und gesellschaftskritische Erbe des deutschen Humanismus, das gerade heute wieder gegen eine Politik des Denkverzichts und Theorieverbots (Berufsverbote u.a.) wirksam gemacht werden sollte.

Daß die heutige Ethikdiskussion in der Sozialdemokratie ihre historischen Wurzeln Im Neukantianismus hat, darauf verweist Ralph Marks’ Artikel „“Ethik und Marxismus““. Der Marxismus bedarf einer Ethik, die jedoch nicht abstrakt und formal bestimmt, sondern aus der Analyse der historisch-konkreten Verhältnisse entwickelt werden muß.

In einer systematischen Skizze macht Elmar Treptow die Grenzlinien der heutigen Ethikdiskussion deutlich: moralischer Formalismus predigt nicht nur Verzicht, sondern affirmiert zugleich die gesellschaftliche Realität; dieser abstrakten Moral steht eine gesellschaftlich orientierte Ethik gegenüber, die auf der Einheit von Postulat und Erfüllung, von Sein und Sollen besteht.

Rüdiger Brede leistet eine intensive Auseinandersetzung mit den Ethikentwürfen der beiden Philosophen Patzig und Riedel und versucht nachzuweisen, daß auch eine kommunikationstheoretisch ausgerichtete Ethik nicht dem Vorwurf des abstrakten, begründungslosen Formalismus entkommt.

Mit Robert Spaemanns „„Frage Wozu“?“ befaßt sich der Beitrag von Alexander von Pechmann. Er kommt zu dem Resultat, dass sich Spaemanns ethisch-sittlich motivierte, teleologische Betrachtungsweise der Natur nicht nur in Gegensatz zu den Naturwissenschaften stellt, sondern auch ihre erkenntnistheoretischen Prämissen und wissenschaftslogischen Voraussetzungen letztlich nicht einlösen kann.

Abgeschlossen wird die Reihe durch einen Artikel von Gerhard Jonath, der der Frage nach der sozialen und politischen Umsetzbarkeit alternativer Lebensentwürfe nachgeht.

Eine Glosse zum Ethikunterricht an unseren Schulen, Rezensionen über Bücher zum Thema, ein Kongreßbericht und ein Leserbrief ergänzen den Band, der Euch vielleicht einige Argumente für die Ethikdiskussion an die Hand geben kann.

Die Redaktion