Heft 13: Philosophie im deutschen Faschismus
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7. Jahrgang, 1987, 126 Seiten, broschiert
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Zum Thema
Bis heute ist die Philosophie im deutschen Faschismus ein heikles Thema. Haben Medizin und Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie u. a. ihre „Verirrungen“ problematisiert und dokumentiert, so steht der Philosophie eine grundsätzliche Abrechnung mit ihrer Vergangenheit noch immer bevor. Man kennt Anthologien oder Darstellungen der deutschen Philosophie bis 1933 (wie etwa von Schnädelbach), man kennt vor allem Darstellungen der deutschen Philosophie nach 1945 (wie etwa von Baumgartner/Saß u. a.). Was sich dazwischen ereignet hat, darüber herrscht weitgehend Schweigen.
Dieses Schweigen mit der Niveaulosigkeit der damaligen Philosophie erklären oder rechtfertigen zu wollen, wäre zu kurz gegriffen. Schließlich waren die Philosophen vor und nach 1945 diesselben: nicht nur Heidegger und Gehlen, sondern auch Rothacker und Heimsoeth, Glöckner, Larenz, Böhrn und Freyer, Schilling, Schulze-Solde u. a. Wie die Philosophie im Faschismus nichts prinzipiell Neues, sondern nur die letzte Konsequenz einer weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden (und aus den Krisen bzw. Abwehrkämpfen des Kapitalismus erwachsenden) „Zerstörung der Vernunft“ darstellt, so erlebt sie auch mit der Befreiung vom Faschismus kein abruptes Ende. Ganz sicher markieren die Elimination von Rosenberg, Baeumler, Krieck, Schwarz u. a. einerseits, die Rückkehr der Frankfurter Schule, des Neopositivismus und anderer Emigranten andererseits einen einschneidenden Bruch. Die Reihe der oben Genannten aber verbürgt ebenso eine Kontinuität der philosophischen Tradition.
Schwerer als die Niveaulosigkeit wiegt das Argument der diskreten Kumpanei, zu der sich die ehemaligen Nazis und ihre Mitläufer nach dem Kriege mit jenen ideologisch Wehrlosen zusammengefunden haben, die sich naiv mißbrauchen ließen.
Der eigentliche Grund des Schweigens aber liegt tiefer. Nicht nur einzelne Philosophen haben sich während des „Dritten Reiches“ kompromittiert, sondern die traditionelle Philosophie als ganze. Entlarvt wurde die Illusion einer über Gesellschaft und Politik schwebenden (in innerer Emigration vielleicht schadlos überdauernden) philosophia perennis. In der Kompromittierung der Philosophie trat handgreiflich zutage, daß es keine „unschuldige“ Philosophie gibt, daß jede Philosophie praktisch-wirksam, und parteiisch verwendbar ist. Damit aber wurde die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Philosophie im Faschismus zugleich zum Prüfstein der eigenen Philosophie.
Daß zwei Beiträge über die Ludwig-Maximilian-Universität am Anfang stehen, schulden wir unserem Namen als „Münchner Zeitschrift für Philosophie“, vor allem aber dem Interesse, das die Münchner Universität durch den Widerstand der „Weißen Rose“ für sich beanspruchen darf.
Wolfhart Henckmann zeichnet in seiner Dokumentation aufgrund von Quellenstudien jene Zustände und Entwicklungen am Philosophischen Seminar nach, die in einem anschließenden Gespräch mit Hermann Krings aus der Erinnerung lebendig werden.
Es folgen Artikel, die sich darüber hinaus mit der Philosophie im Faschismus auseinandersetzen: mit der (den Wandel der ideologischen Bedürfnisse widerspiegelnden) Aneignung Nietzsches (Konrad Lotter), mit der (sich auch in der Kulturpolitik ausdrückenden) Konzeption einer rassistischen Ästhetik (Georg Koch/Thomas Wimmer), mit ihrem irrationalistischen, antijüdischen Grundcharakter (Frank Hartmann). Einen Streifzug durch wichtige philosophische Zeitschriften, ihre Autoren, Themen und weltanschauliche Entwicklung gibt Karl Roch. Mit der Rezeption faschistischer Philosophie in den ersten Jahrgängen der Frankfurter „Zeitschrift für Sozialforschung“ befaßt sich Ignaz Knips. Die folgende Reihe von zwölf Kurzartikeln bildet insofern eine Einheit, als darin wichtige Problembereiche faschistischer Philosophie skizziert werden: nicht nur ihre Begründung durch den Mythos des Bluts oder ihre Versuche, die philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus aufzuspüren, sondern die Ansätze faschistischer Ethik, Anthropologie und Pädagogik, Kultur-, Geschichts- und Rechtsphilosophie, Wissenschafts- und selbst einer Wehrphilosophie.
Eine philosophisch-politische Einschätzung der z. Zt. des Faschismus veröffentlichten Werke Erich Voegelins gibt Alfons Söllner, aufschlußreich im Hinblick darauf, daß Voegelin nach dem Krieg das Münchner Geschwister-Scholl-lnstitut gegründet hat und zum Nestor der bundesdeutschen Politologie geworden ist. Unter dem Titel „Philosophie studieren“ schließlich vermittelt Heinz Hülsmann anhand individueller Erlebnisse ein plastisches Bild der allgemeinen Studien-Situation an den Universitäten in Münster und Freiburg.
Drei Rezensionen zum Thema und ein Tagungsbericht beschließen den Band.
Die Redaktion