Heft 34: Geschlechter-Differenz

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19. Jahrgang, 1999, 144 Seiten, broschiert

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Um die Frauenbewegung ist es still geworden in den Neunzigern. Pochten die Frauen in den achtziger Jahren, nachdem sie erkannt hatten, dass das Gleichheitsprinzip ihre Unterdrückung nicht aufheben kann, sie vielmehr in vielen Fällen sogar verstärkt, auf ihre Andersartigkeit und sagten den patriarchalen Strukturen in Gesellschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft den Kampf an, so scheinen sie sich am Ende dieses Jahrhunderts eingerichtet zu haben in diversen Nischen wie Gleichstellungsbeauftragten, Frauenförderprogrammen. Feminismus ist out und das Wort „Emanze“ hat vielerorts – auch unter Frauen, und hier gerade bei den jüngeren – eine pejorative Bedeutung erlangt.

Heißt das, die Frauenunterdrückung ist bereits passé? Haben die Frauen in den letzten dreißig Jahren das Patriarchat abgeschafft und wird das nächste Jahrhundert das „Jahrhundert der Frauen“ sein, wie es mancherorts in Aussicht stellte?

Die Tatsachen sprechen dagegen. Frauenförderprogramme werden gestrichen, Frauen sind durch Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Männer, und wenn auch weltweit der Anteil der Frauenarbeit zunimmt – was zunächst ja einmal positiv ist -, so nimmt auch weltweit der Anteil der Frauenarmut zu. Abtreibung als Mord von ungeborenem Leben taucht wieder im Sprachschatz von Männern auf, und Mädchen werden in Ländern der dritten Welt nur auf Grund ihres Geschlechts abgetrieben oder ausgesetzt.

Die Frauen selbst scheinen sich zwar aus politischen Kämpfen zurückgezogen zu haben, doch dieser Rückzug bedeutet keineswegs, dass der Kampf aufgegeben wurde. Bereits in unserer Ausgabe mit dem Titel „Frauen Denken“ vor 15 Jahren zeichneten sich Auseinandersetzungen der Frauen untereinander ab. Wir schrieben damals: „angesichts dieser ideologischen und politischen Kontroverse zwischen Selbst- und Fremdbestimmung sieht sich die Frauenbewegung verstärkt auch zur philosophischen Reflexion herausgefordert“’, und die Fülle an Veröffentlichungen von Frauen gerade im philosophischen Bereich belegt unsere damalige Ansicht.

Allerdings wurde und wird gerade auf philosophischem Gebiet inzwischen auch viel mehr unter den Frauen diskutiert und gestritten, und die Frauen sprechen nicht mehr mit „einer Stimme“. Die verschiedenen Strömungen, die innerhalb der Frauenbewegung anzutreffen sind, kann man einerseits als historische betrachten, wobei sich die eine aus der anderen entwickelt hat, gleichzeitig bestehen sie jedoch nebeneinander her und befruchten sich gegenseitig.

Die drei vorherrschenden Richtungen werden häufig folgendermaßen charakterisiert: Einmal die Richtung des emanzipatorischen Feminismus, der in seinen Überlegungen vor allem die Prinzipien der Gleichheit und der Gerechtigkeit vertritt. Dann die Richtung des Feminismus der Differenz, der sich auf die Andersartigkeit der Frau konzentriert. Das Weibliche, seine Genealogie und seine besondere Kultur rücken hier in den Mittelpunkt der Überlegungen. Eine dritte Richtung entwickelte sich mit der Auseinandersetzung der Postmoderne. Hier ist das Motto die Pluralität: es gibt nicht „das Weibliche“, „die Frau“, sondern Frauen, die in unterschiedlichen sozialen und politischen Realitäten aufwachsen, verschiedenen Rassen und Kulturen angehören.

Diese Entwicklung innerhalb der feministischen Theorie veränderte auch die Bezeichnungen. So wurde der Terminus Feminismus in kürzester Zeit durch die Bezeichnung Geschlechterdifferenz ersetzt. Diese Veränderung ist aber nicht nur eine Formalie. Sie ist signifikant für das feministische Philosophieren der Gegenwart und kann als Symptom für einen gewissen Eklektizismus verstanden werden. Positiv an diesem Eklektizismus sind die vielfältigen Annäherungen, Korrekturen, ja sogar die Verdickungen, die zwischen den verschiedenen Positionen stattfinden. Diese sind nicht zuletzt das Ergebnis der Kontraste zwischen dem, was frau in der Theorie postuliert, und dem, was frau in ihrer alltäglichen Lebenserfahrung als Widerspruch zu den Postulaten der Theorie „widerfährt“.

In diesem Heft kommen in unserem Tementeil drei Frauen zu Wort: Susanne Letow gibt einen Überblick über die feministische Kritik in der Philosophie der letzten Jahre und zeigt auf, wie diese Kritik für eine Veränderung sowohl der philosophischen wie auch der politischen Praxis nutzbar gemacht werden kann. Maria lsabel Pena Aguado unternimmt den Versuch, den erkenntnistheoretischen Begriff der Urteilskraft als eines Vermögens ‚zwischen‘ Vernunft und Sinnlichkeit für die feministische Theorie nutzbar zu machen. Ulrike Diedrich schließlich führt in die politische und lebensweltliche Praxis von Frauen ein, indem sie nachzeichnet, wie Frauenförderprogramme funktionieren und welche unhinterfragten, patriarchalen Strukturen diesen Programmen zugrunde liegen. Eine Reihe von Rezensionen zum Thema runden diesen Teil des Heftes ab.

In seinem Essay „Die globale Klasse“ geht Anil K. Jain neuen Herrschafts- und Klassenverhältnissen im globalen Zeitalter nach.

Unter unserer Rubrik „Münchner Philosophie“ erscheint diesmal statt eines Textes ein Gespräch, das wir mit Julian Nida-Rümelin im Münchner Kulturreferat geführt haben.

In einem umfangreichen Rezensionsteil werden aktuelle Neuerscheinungen besprochen. Die Berichte über eine gemeinsamen Tagung der Ernst-Bloch- und der Sartre-Gesellschaft in München von Georg Koch und Thomas Wimmer sowie über den 18. Deutschen Kongress für Philosophie in Konstanz von Bettina Schmitz bilden den Abschluß der Nummer.

Die Redaktion