Heft 4: Krise in Gesellschaft und Wissenschaft

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2. Jahrgang, 1982, 148 Seiten, broschiert

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Nach den Prognosen aller ernstzunehmenden Wissenschaftler und Politiker werden die 80er Jahre zum zweiten Jahrzehnt seit Bestehen der Bundesrepublik, in dem die Krise zu einer Alltagsrealität geworden sein wird. Die Erhaltung der Umwelt, die Sicherung der Arbeitsplätze und des sozialen Netzes, ja sogar das Überleben der gesamten menschlichen Gattung werden zu gesellschaftlichen Problemen, deren politische Lösungsmöglichkeiten mit dem wachsenden Ausmaß ihrer Bedrohung in immer größere Entfernungen rücken. Zweifellos haben wir es nicht nur mit einer zyklischen und vorübergehenden, sondern mit einer umfassenden und tiefgreifenden Krise zu tun, die sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens ergreift und sich immer weiter in sie einfrißt.

Die Entwicklung unserer Gesellschaft holt damit offenbar jene Kassandrarufe der bürgerlichen Philosophie von Schopenhauer bis Heidegger, die unseren zivilisatorischen Fortschritt auf dem „Holzweg“ wähnten, ebenso ein, wie die marxistischen Theoretiker Recht behalten sollten, die, zeitweise gegen den äußeren Anschein, die spätbürgerliche Gesellschaft in einem historisch-gesetzmäßigen Prozesse des Niedergangs sahen.

Angesichts dieses langfristigen Prozessen der wachsenden ökonomischen, sozialen und politischen Probleme ist es unseres Erachtens eine der dringlichsten Aufgaben – nicht zuletzt der Philosophie –, sich sowohl um einen konsistenten und realitätsgerechten Begriff der Krise als auch um die Klärung der tieferliegenden Ursachen der Krise mit all ihren weltanschaulich–ideologischen Konsequenzen zu bemühen. Bedeutet „Krise“ Heilung oder Niedergang? Ist die alltäglich erfahrene Krise als Krise des Bewußtseins und des Denkens zu interpretieren, wie konserva-tive Ideologen nicht müde werden zu betonen; erwächst sie dem tief gestörten Verhältnis des „modernen“ Menschen zur Natur, wie es die „Ökologen“ aller Schattierungen uns zu erklären versuchen; oder ist sie ganz einfach aus den politisch–ökonomischen Strukturproblemen und Widersprüchen zu verstehen, wie dies die Marxisten seit jeher behaupteten?

Um die Erklärung der Krise und um die philosophische Diskussion über deren Wesen geht es uns im vorliegenden Band:

Elmar Treptow unternimmt dazu in seinem Aufsatz den Versuch, die verschiedenen Denkmuster der nicht–marxistischen Philosophie als angemessenen theoretisch–weltanschaulichen Ausdruck der krisenhaften Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und damit ihre historisch–-systematische Verlaufsform als notwendig widersprüchlich aufzuzeigen.

Daran schließt sich ein historischer Überblick von Robert Steigerwald an, der den verschiedenen und letztlich vergeblichen Versuchen der Philosophie in der Bundesrepublik nachgeht, mittels der Adaption von marxistischen Positionen einen „dritten“ Weg zwischen bürgerlicher und marxistischer Philosophie zu konstruieren, der die inneren Widersprüche der spätbürgerlichen Philosophie überwinden soll.

Die gegenwärtige Kontroverse in der „Ökologie–-Diskussion“ spiegeln die beiden Aufsätze von Konrad Lotter und Günter Preßler wider: Während Konrad Lotters Artikel bemängelt, daß die gegenwärtigen Erklärungen der Ökologen über die Krise die spezifisch gesellschaftlichen Bedingungen der Krise, die jeweiligen Produktionsverhältnisse, außer Acht lassen, übt demgegenüber Günter Preßler in seinem Beitrag Kritik an Marx insofern, als dieser von der Kritik der Produktionsverhältnisse nicht tiefer zur Kritik der Produktivkräfte und deren Entwicklung vorgedrungen sei. Beide Positionen dürften genügend Stoff für eine weitergehende und vertiefende Diskussion über das Wesen der derzeitigen Krise enthalten.

Eine ausführliche Auseinandersetzung leistet Ralph Marks mit dem Ansatz von Th.S. Kuhn, der zwar den Krisenbegriff innerhalb des Positivismus salonfähig gemacht hat, aber bei der Beschreibung soziologisch-psychologischer Prozesse stehengeblieben ist.

Abschließend geht Alexander von Pechmann noch der Frage nach, ob auch der Marxismus von der Krise befallen ist, und unter welchen begriffstheoretischen Voraussetzungen es überhaupt sinnvoll ist, von einer „Krise des Marxismus“ zu reden.

Eine Reihe von Rezensionen über Bücher, die das Thema: Krise der Wissenschaften und Philosophie zum Gegenstand haben, ergänzen den Band, der mit einer Antwort Helmut Gollwitzers auf die „Anfrage“ Bernhard Léons im letzten Heft 1/82 und einer Glosse zur „Marxistischen Gruppe“ schließt, und von dem wir uns wünschen, daß er Euch einige Anregungen geben kann.

Die Redaktion