Ingrid Robeyens

Limitarismus. Warum Reichtum begrenzt werden muss

geb., 377 Seiten., 26,- €, S. Fischer-Verlag, Frankfurt/Main 2024

von Fritz Reheis

Auf einem endlichen Planeten kann es kein unendliches Wachstum geben. Diese Binsenweisheit wird meist auf physische Objekte oder auch auf die Realwirtschaft insgesamt bezogen. Seit einiger Zeit taucht dieser Gedanke jedoch auch im Rahmen eines mathematisch-physikalischen Ansatzes zum Verständnis von Nachhaltigkeit auf. Gemäß der Faltungstheorie von Anders Levermann vom Potsdam Institut für Klimaforschung stoße Wachstum ohne Richtungswechsel notwendigerweise an Grenzen, müssten quantitative Veränderungen notwendigerweise in qualitative münden, die den Grad der Komplexität erhöhen, wenn der Anspruch der Nachhaltigkeit erfüllt werden soll. Ohne auf Levermann Bezug zu nehmen, greift nun auch Ingrid Robeyens, Professorin für Ethik an der Universität Utrecht, diesen Gedanken in Bezug auf das Vermögen einzelner Personen auf. Sie nennt das Prinzip „Limitarismus“.

Um die Dimensionen der sozialen Ungleichheit vor Augen zu führen, beginnt Robeyens mit einem Gedankenexperiment. Wie hoch, so fragt sie, müsste der Stundenlohn des reichsten Menschen im Vereinigten Königreich sein, damit er am Ende eines 45 Jahre währenden Arbeitslebens ein Vermögen von 23 Milliarden Pfund angesammelt hat. Die Antwort: 196.581 Pfund pro Stunde, ein Stundensatz, der ausreichen würde, um sich jeden Tag eine Drei-Zimmer-Wohnung mitten in London zu kaufen (9). Robeyens erinnert mit spürbarer Sympathie an die Occupy-Bewegung 2011 und deren Parole „Wir sind die 99 Prozent“, die der Welt bewusst machen wollte, dass es das übrige „eine Prozent“ sei, das fast all die Probleme bereitet, mit denen wir heute konfrontiert sind. Robeyens berichtet über die Reaktionen einiger ihrer Professorenkollegen aus Philosophie, Ökonomie und verwandten Disziplinen, die sich anfangs amüsierten, als sie von ihrem Forschungsvorhaben erfuhren; einige hätten ihr gar Neid auf die Reichen als Motiv unterstellt. Tatsächlich sei das Buch das Resultat einer im Laufe eines zehnjährigen Projekts herangereiften Überzeugung, „dass wir eine Welt schaffen müssen, in der niemand superreich ist – dass es eine Obergrenze des Reichtums geben muss, den eine Einzelperson haben darf“ (14). Der von ihr geprägte Begriff des Limitarismus verstehe sich als „regulatives Ideal“.

In ihrer Einleitung listet Robeyens die gängigen Einwände gegen eine solche Begrenzung von hohen Vermögen auf und versucht, sie zu entkräften. Das erste Kapitel fragt anschließend: „Wie viel ist zu viel?“ Die Antwort unterscheidet eine politische und eine ethische Obergrenze. Politisch solle das Vermögen einer Person bei „etwa“ zehn Millionen abgeriegelt werden. Ethisch schlägt sie eine Grenze von „etwa“ einer Million vor. Mit dem Wörtchen „etwa“ will sie sagen, dass diese Grenzen für Pfund, Euro und Dollar gleichermaßen gelten könnten.

Die Folgekapitel legen die Gründe für die Notwendigkeit des Limitarismus dar. Die Überschriften lauten: „Extremer Reichtum hält die Armen in Armut, während die Ungleichheit wächst.“ „Extremer Reichtum stammt aus schmutzigem Geld.“ „Extremer Reichtum untergräbt die Demokratie.“ „Extremer Reichtum steckt die Welt in Brand.“ „Niemand verdient es, Multimillionär zu sein.“ „Mit dem Geld lässt sich so viel machen.“ „Philanthropie ist nicht die Lösung.“ Und: „Auch die Reichen werden profitieren.“

Das Schlusskapitel thematisiert Strategien der Umsetzung des limitaristischen Ideals: den Ausbau der sozialen Infrastruktur, fiskalische Maßnahmen, einen fundamentalen Umbau der Wirtschaftsordnung, eine neue Ausbalancierung von Markt und Staat und ethisches Handeln. Anschließend geht es um Wege der Vermögensbegrenzung. Die Stichworte lauten: Demontage der neoliberalen Ideologie („der Kern des Problems“), Reduktion der sozialen Spaltung, Sorge für ein wirtschaftliches Machtgleichgewicht, Wiederherstellung der fiskalischen Handlungsfähigkeit des Staates, Konfiszierung schmutzigen Geldes einschließlich der Entschädigung der Opfer, Umbau der internationalen Wirtschaftsarchitektur mit dem Ziel der Herstellung von globaler Gerechtigkeit, Begrenzung der Managergehälter und fundamentale Veränderung des Erbschaftsrechts. „Letztlich ist die wichtigste Veränderung“, so die Autorin, „dass wir die Mantras ‚Gier ist gut’ und ‚Der Himmel ist die Grenze’ aufgeben“ (319).

Auch wenn die vorgeschlagenen Vermögensgrenzen ziemlich willkürlich wirken, die politökonomische und die ethische Argumentation relativ unverbunden bleiben, eine fundierte politökonomische Analyse fehlt und die eigentlich naheliegende Anbindung des Limitarismus an die Nachhaltigkeitsdiskussion nur ansatzweise erfolgt, handelt es sich um ein wichtiges Buch, dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist.

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