Heft 15: Neues Denken

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8. Jahrgang, 1988, 138 Seiten, broschiert

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„„Neues Denken““ versucht eine neue Wirklichkeit zu begreifen, die durch die „“globalen Probleme““ entstanden ist. Das weltweite Potential nuklearer Waffen, die bestehende Weltwirtschaftsordnung mit wachsender Verelendung der „“Dritten Welt““, die ökologischen Probleme, die End-lichkeit der Ressourcen, die Zerstörung unserer natürlichen Lebens-grundlagen, der Einsatz risikoreicher und technisch nicht beherrschbarer Technologien wie der Atom- und Gentechnologie betreffen nicht mehr nur einzelne Nationen, sondern die Welt, nicht einzelne Menschen, Klas-sen oder Völker, sondern die Existenz der Menschheit überhaupt. Die Selbstvernichtung der Menschheit hat ihren Charakter als Extrem verlo-ren und ist reale Möglichkeit, wenn nicht schon irreversibles Faktum.

Auch dem hartgesottensten Leugner drängt die dichter werdende Reihe von Katastrophen die Existenz der globalen Probleme auf. Und dennoch agieren die Institutionen und ihre Repräsentanten weitgehend nach altem Muster: mit verbesserter Technik will man der negativen Folgen veralte-ter Technik Herr werden, neue Waffen sollen die ’gefährlichen’ alten ersetzen, die Neuverschuldung soll die Verschuldung überwinden…

Die Hilflosigkeit solch herrschender Rationalität macht die Zuflucht zum Mythos verständlich, dessen Attraktivität ungebrochen erscheint. Und doch erweist es sich zusehends als Sackgasse, die weltweiten Bedrohungspotentiale der Rationalität pauschal anzulasten. „“Neues Denken““ beansprucht die Rückkehr zum Denken, allerdings nicht zur Rationalität des Verstandes, der sich die Welt verfügbar macht, sondern zu einer Vernunft, die den Gesamtzusammenhang zu denken vermag.

Wer „„neu denken““ will, begibt sich auf Neuland und ist zwangsläufig der Kritik ausgesetzt. Die dem Heft zugrundeliegende Diskussion ist auch innerhalb der Redaktion keineswegs abgeschlossen. Die Redaktion wird sich für die nächste Nummer bemühen, Positionen darzustellen, die im Dissens zu den hier folgenden Artikeln stehen.

Die Beiträge wollen sichten. Welche Eingriffe in den traditionellen Theo-riebestand sind möglich und notwendig? Genügt die viel gepriesene „“Ganzheitlichkeit““ den Anforderungen der Vernunft und Rationalität? Überfordert das „“neue Denken““ in der Sowjetunion den Marxismus? Kann das traditionsreiche Christentum den neu gestellten Problemen gerecht werden – ohne Preisgabe seiner Grundsätze?

Alexander von Pechmann skizziert in seinem Beitrag die Ansätze des neuen Denkens in der Sowjetunion und versucht, die Herausforderungen an die marxistische Theorie zu kennzeichnen. Der Artikel von Wolfgang Görl konfrontiert die „“New Age““-Bewegung mit ihrem Anspruch, ein neues Paradigma zu begründen, und weist kritisch auf deren ungeklärtes Verhältnis von Wissenschaft und Mystik hin. In Auseinandersetzung mit „“New Age““ einerseits und der neuen Politik Gorbatschows andererseits formuliert Günther Schiwy auf Fragen des WIDERSPRUCH das Interesse der Theologie am neuen Denken.

Die beiden folgenden Beiträge ziehen methodologische Schlußfolgerungen aus der neuen Lage. Rom A. Mall entwirft das Programm einer nicht-reduktiven Hermeneutik, die der Tatsache Rechnung trägt, daß die ’hermeneutische Situation’ sich mit dem global gewordenen Diskussionszusammenhang grundlegend geändert hat. Konrad Lotter kennzeichnet den Funktionswandel der Ideologiekritik – bestand Ideologie bisher darin, partikulare Interessen unter dem Mantel allgemeiner Interessen zu ver-bergen, so kann sie heute gerade in der Leugnung solch allgemeiner Interessen bestehen. Den Abschluß bildet der Beitrag von Thomas Sauer, der den Ansätzen des neuen Denkens in der sowjetischen Ökonomie, ihrer Selbstkritik und der Überwindung Stalinscher Schemata, nachgeht.

Das Sonderthema dieser Ausgabe befaßt sich mit dem „“Fall Heidegger““. Christian Sebald verfolgt die Diskussion in der bundesdeutschen Presse, die Victor Parias’ Werk „“Heidegger und der Nazismus““ ausgelöst hat.

Wie immer wird das Heft durch Rezensionen neuerschienener Bücher, insbesondere zum Thema, durch Kongreßberichte und einen Veranstaltungshinweis abgerundet.

Die Redaktion