Heft 44: Ausverkauf der Philosophie?

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26. Jahrgang, 2006, 186 Seiten, broschiert

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Die Ökonomisierung der Universitäten ist in vollem Gange. Kein Reformpapier erscheint, das nicht die Konkurrenzfähigkeit der Hochschulen und ihrer Fachbereiche auf dem internationalen Bildungs- und Wissensmarkt beschwört; keine Studienordnung, die nicht das Kriterium der Effektivität als Anforderung und Gütesiegel für Lehrende wie Lernende verwendet; keine Maßnahme, die nicht die

Selbstverantwortung der Dozenten und Studenten für ihr „Humankapital“ einfordert. Die vormalige res publica der Gelehrten ist auf dem Weg zu einer science service company.

Die neoliberalen Reformer sehen in der Orientierung am Markt den einzig gangbaren Weg, um aus der „Krise der Universität“ herauszukommen und den Anforderungen einer künftigen „Wissensgesellschaft“ gerecht zu werden. Sie stehen im Widerspruch zu jenen Konservativen, die sich noch an Werten orientieren, nicht in der Verwertung, sondern in der Wahrheit und ihrer Vermittlung das höchste Ziel der Universität erblicken und im Namen der „Freiheit der Wissenschaft“ alle außerwissenschaftlichen, insbesondere politischen Vorgaben zurückweisen. Zwischen beiden Lagern bewegt sich das große Heer der Unentschiedenen, die auf die Fülle der Reformverschläge mit einem „sowohl – als auch“ antworten und der Besserwisser, die mit einem „zwar, aber“ argumentieren.

Was im Spektrum der Stellungnahmen fehlt, ist ein dritter Weg, der die Klippe der weitgehenden Heteronomie, der Fremdbestimmung durch die Wirtschaft, ebenso vermeidet wie die Klippe der reinen Autonomie, die die Verbindung mit der Praxis zurückweist. Weder der Gewinn sollte das ausschlaggebende Argument sein, noch allein das „gute Argument“ in einem abgehobenen Sprachspiel. Mit der Suche nach der Wahrheit und der Einübung wissenschaftlicher Methoden sollten zugleich die Ziele reflektiert werden, denen Universität und Wissenschaften folgen. Praxis ja, aber nicht die Praxis eines selbstläufigen Marktes, der allein an Effektivität und Profitabilität ausgerichtet ist.

Traditionell war es Aufgabe der Philosophie, die Teile zu verbinden und in ihrem Gesamtzusammenhang zu reflektieren. Mit der Ökonomisierung der Universität verliert sie diese Aufgabe und wird auf eine Einzelwissenschaft zurechtgestutzt, die in abgezirkelten Studiengängen einen festen Kanon von Wissen und „nützlichen“ Fertigkeiten vermittelt. An die Stelle der Kritik der bestehenden Verhältnisse und der Frage nach einer vernünftigen Gesellschaftsordnung tritt ihre funktionalisierende Einfügung in diese Verhältnisse. Die angestrebte Arbeitsteilung, die zum Exzellenz-Status einzelner Institute führen soll, ist der Philosophie ebenso wesensfremd wie die am Kriterium der employability ausgerichtete Teilung in Bachelor- und Master-Studiengänge, die unreflektiert von den technischen Wissenschaften übernommen wird.

Am Ende führt die Ökonomisierung der Philosophie zu ihrem Ausverkauf. Sie wird in Häppchen und billig verkauft, weil man ihren Wert nicht kennt und auch nicht schätzt. Schon Platon hatte, im ökonomisierten Athen, den Sophisten vorgehalten, das Wissen zu einer käuflichen Ware gemacht und ein nur gefälliges Scheinwissen produziert zu haben.

Der einleitende Beitrag von Alexander von Pechmann nimmt den gegenwärtigen Reformprozess der Hochschulen als ein Ganzes in den Blick und fragt nach der Rolle, die die Philosophie in diesem Prozess spielen soll und spielt.

An der Umfrage, die der Widerspruch zum Thema „Hochschulreform und Philosophie“ durchgeführt hat, haben sich die Philosophen Dieter Henrich, Julian Nida-Rümelin und Manfred Stöckler, der Bildungsökonom Freerk Huisken sowie aus Sicht der Philosophiestudierenden Alexander Nawrath beteiligt.

Reinhard Brandt kommentiert in seinem Beitrag kritisch das „Manifest Geisteswissenschaften“, das die „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“ herausgegeben hat. Er hebt als notwendiges Kriterium die Unterscheidung von zielorientiertem Wissen und kritisch-reflektierter Erkenntnis hervor.

Der Artikel von Nico Hartmann „Ausverkauf der Münchner Philosophie?“ schlägt den Bogen von der Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre zu den gegenwärtigen Reformen. Er konstatiert die Diskrepanz zwischen dem damaligen Widerstand gegen die „Demokratisierung der Hochschulen“ und der heutigen Anpassung an ihre „Ökonomisierung“.

Abgeschlossen wird das Thema des Heftes mit einer Reihe von Rezensionen zur Rolle und Aufgabe der Universitäten.

Nicht unmittelbar mit der Universität, wohl aber mit Aufklärung und Wissen hat das Sonderthema des Hefts zu tun. Der Beitrag von Fritz Reheis „Die Zeit sichtbar machen“ stellt ein Konzept vor, wie die Rede von den „Sachzwängen“ kritikfähig gemacht werden kann.

In der Reihe „Münchner Philosophie“ stellt C. Ulises Moulines seine intellektuelle und biographische Odyssee über die Kontinente und durch die Zeitläufte dar: nomen est omen.

Wie immer schließen Rezensionen interessanter Neuerscheinungen das Heft ab.

Die Redaktion