Heft 64: Die Eigentumsfrage

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36. Jahrgang, 2017, 174 Seiten, broschiert

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Die Eigentumsfrage ist heute tabu. Wurde noch bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts öffentlich in West und Ost über das Für und Wider zwischen einer privaten und einer gemeinwirtschaftlichen Eigentumsordnung gestritten, ist spätestens seit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus und der Hinwendung Chinas zur Marktwirtschaft das Privateigentum als Rechtsinstitut für „alternativlos“ erklärt worden. Seither gilt die Öffnung der nationalen Ökonomien für den Weltmarkt als Ausweis ihrer Fortschrittlichkeit.

Die vielen Gegenstimmen freilich, die sich der stattfindenden Globalisierung widersetzen, stellen nicht die Eigentumsfrage, sondern wenden sich an die Politik, um durch gesetzliche Maßnahmen des Staates die krassen Auswüchse eines Wirtschaftssystems zu korrigieren, das auf dem Privateigentum gründet. Sie verhandeln die Verteilungsfrage, nicht die Eigentumsfrage. Sie sind nicht radikal, sie fassen das Problem nicht an der Wurzel.

Dabei häufen sich in den letzten Jahrzehnten die empirischen Belege, dass die Institution des privaten Eigentums nicht, wie es heißt, Wohlstand und Entwicklung verheißt, sondern dass sie unverschämten Reichtum auf der einen Seite und unerträgliche Armut auf der anderen Seite schafft; dass sie zwar eine stetig wachsende Menge an Gütern produziert, doch mit ihr zugleich unseren Planeten zerstört.

Über diese evidenten Tatsachen hinaus erscheinen auch die Begründungen, die für das private Eigentum gegeben worden sind, in logischer Hinsicht wenig überzeugend. Dass privates Eigentum Freiheit schaffe – das gilt nur für die Wenigen, die über den Reichtum als ihr Eigentum verfügen; für die Vielen jedoch schafft es unüberwindliche rechtliche Barrieren und schließt sie vom vorhandenen Reichtum aus. Sie sind unfrei. Dass privates Eigentum als Lohn für harte und rechtschaffene Arbeit erworben werde – diese Begründung muss dem hohl klingen, der weiß, dass niemand durch seine Arbeit Reichtum erwirbt. Sonst wären die „hart arbeitenden Menschen“ ja reich; je härter, desto mehr.

Das Privateigentum besteht daher nur fort, weil es keine überzeugende Alternative gibt. Für verantwortungsbewusste Intellektuelle und Theoretiker muss sich deshalb erneut die Eigentumsfrage stellen: Welcher Rechtsinstitute bedarf es – jenseits des Privateigentums –, die das künftige Leben der globalisierten Menschheit sichern und garantieren? Welche Rolle werden darin die internationalen Organisationen, die nationalstaatlichen Institutionen, die kommunalen Einrichtungen und die genossenschaftlichen Verbände spielen müssen? Auf diese Fragen sind in den letzten Jahren (allzu) viele Antworten gegeben worden; was fehlt, ist ein bündelndes, bündiges und überzeugendes Konzept.

Angesichts dieser Lage wäre es vermessen zu behaupten, wir hätten ein solches Konzept. Die Beiträge des Hefts stellen sich jedoch der Aufgabe, die tabuisierte Eigentumsfrage zu thematisieren, ihre zentrale Bedeutung für viele andere Probleme politischer, sozialer und ökologischer Natur hervorzuheben und nach Alternativen zu suchen.

In seinem Beitrag geht Konrad Lotter den Verhältnissen von Produktion und Eigentum nach. Bei Marx heißt es, dass diese Verhältnisse nicht untergehen, bevor nicht „alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug (sind)“. Das heißt umgekehrt: es gibt Produktivkräfte, die sich unter kapitalistischen Eigentumsverhältnissen entwickeln, die diese Eigentumsverhältnisse aber sprengen. Sein Artikel „Geschlossene und offene Wirtschaftskreisläufe“ berichtet von den Erwartungen, die an die Entwicklungen der Eisenbahn, der Elektrizität, der Atomkraft und schließlich der digitalen Kommunikations- und Robotertechnik geknüpft waren und sind.

Im Zentrum von Heinz-J. Bontrups Beitrag stehen Alternativen zur bestehenden Eigentumsmacht. Er zeigt, welche Möglichkeiten offen stehen, diese Macht im Interesse der arbeitenden Menschen zu begrenzen: durch paritätische Mitbestimmung, Ausweitung des öffentlichen und genossenschaftlichen Eigentums, Gewinn- und Eigentumsbeteiligung der Arbeitnehmer, eine verstärkte politische Kontrolle des Marktes.

Bernhard Schindlbeck geht in seinem Artikel den Subreptionen und Tautologien der klassischen Eigentumsbegründungen von John Locke und Immanuel Kant nach. Er zeigt, dass und wie ihr unterschiedlicher Anspruch scheitert, das Recht auf privates Eigentum auf vernünftige Einsicht zu gründen.

Der Beitrag von Christian Schmidt „Eigentum und der Materialismus der Freiheit“ geht mit Hegel davon aus, das Dasein der Freiheit bedürfe einer äußeren Sphäre. Diese aber muss keineswegs, wie Hegel meint, die Form des privaten Eigentums haben. Er diskutiert dem gemäß die Frage, wie diese äußere Sphäre der Freiheit unter den Bedingungen gemeinschaftlichen Eigentums gesichert werden kann.

Den Beiträgen schließen sich Besprechungen aktueller Bücher zum Thema des Hefts an.

Das Sonderthema des Hefts ist Gottlob Frege gewidmet. Jacob Hesse stellt dessen folgenreiche Konzeption eines „dritten Reichs“ der Gedanken jenseits der Welt der Vorstellungen und der Welt der äußeren Dingen dar und nennt die Probleme, die in ihr enthalten sind.

Der Artikel in der Rubrik „Münchner Philosophie“ stellt dieses Mal den

Aufklärer und Schellinggegner Jakob Salat (1766-1851) vor. Johann Jakob

Grund geht seinem Wirken an der damals neu gegründeten Ludwig-Maximilians-Universität nach.

Rezensionen von Neuerscheinungen beschließen den Band.